Mit der CE-Kennzeichnung bestätigt der Hersteller eines mobilen Roboters verbindlich dessen Konformität mit allen auf das Produkt anwendbaren EU-Richtlinien sowie EU-Verordnungen. Dadurch bestätigt er die Einhaltung der in den Richtlinien und Verordnungen definierten Sicherheitszielen. Die EU-Richtlinien sind verbindliche Rechtsvorschriften der Europäischen Union und ihre Einhaltung ist somit zwingende Voraussetzung für das Inverkehrbringen der Erzeugnisse auf dem EU-Binnenmarkt bzw. dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR).
Für alle Unternehmen im EWR gelten dieselben Regeln und Bedingungen. Die Rechtsvorschriften der EU über den Binnenmarkt sind Teil der Rechtsvorschriften der EWR-Länder.
Allerdings werden die Richtlinien nur mit der Umsetzung in die nationalen Rechtsvorschriften der EU-Mitgliedstaaten verbindlich. Im Gegensatz dazu sind die EU-Verordnungen ohne eine Umsetzung in nationales Recht bindend für alle Mitgliedsstaaten. Die CE-Kennzeichnung als Nachweis der Richtlinienkonformität richtet sich nur an die Überwachungsbehörden der EU-Mitgliedsstaaten, wie z.B. Zoll oder Marktüberwachung. Da sie rechtsverbindlich die vollständige Erfüllung der hohen europäischen Sicherheitsanforderungen anzeigt, hat sich die CE-Kennzeichnung mittlerweile auch bei Kunden*innen und Anwender*innen zu einem Qualitätszeichen entwickelt und findet häufig auch außerhalb der EU/des EWR Akzeptanz.
Bevor ein Hersteller jedoch die CE-Kennzeichnung an seinem Produkt anbringt, muss er die gesetzlichen Auflagen und Regeln der EU-Richtlinien, bzw. deren Umsetzung in nationales Gesetz, in seine Aufbau- und Ablauforganisation (Prozesse, siehe auch Bild 1) implementieren, befolgen und deren Durchführung und Einhaltung dokumentieren. Diese allgemeine Vorgehensweise zur CE-Kennzeichnung wird als Konformitätsbewertungsverfahren bezeichnet und im Folgenden als „Konformitätsprozess“ beschrieben.

Der CE-Konformitätsprozess ist ein Teil der Produktsicherheit und Voraussetzung für die Erlangung einer Betriebserlaubnis sowie die Betriebssicherheit bei Kund*innen. Im hier vorgestellten Ablaufmodell besteht er aus acht Schritten, die allerdings in keiner Richtlinie oder Gesetz explizit beschrieben werden.
In der Fachliteratur gibt es dafür unterschiedliche Darstellungen, wobei die Anzahl der Schritte oder Phasen von 4-10 variieren kann. Der Hersteller von mobilen Robotern kann die einzelnen Phasen und deren Anzahl an die Anforderungen seines QMS anpassen!
Vielmehr bleibt es jedem Hersteller selbst überlassen, wie die Anforderungen, die sich aus den Richtlinien- und Gesetzestexten heraus ergeben, in seinem Qualitätsmanagement- oder Qualitätssicherungssystem umgesetzt werden. Der CE-Konformitätsprozess ist in Bild 2 dargestellt und deckt im Wesentlichen zwei Phasen des Produktlebenszyklus (PLC) ab, die Planungsphase und die Realisierungsphase, also die Konstruktion und Entwicklung des mobilen Roboters. Die vorgeschlagenen Schritte lassen sich mit wenig Aufwand in die Phasen des PLC integrieren.

An dieser Stelle muss noch darauf hingewiesen werden, dass der CE-Konformitätsprozess hauptsächlich die Produktsicherheit berücksichtigt und damit nicht alle Produktanforderungen abdeckt. Folgende Aspekte müssen deswegen zusätzlich zu den Sicherheitsanforderungen berücksichtigt werden:
Leistung (vertraglich zugesagte Leistung (Performance, Vertragsrecht))
Datensicherheit und Cyber-Sicherheit (Security), z.B. DSGVO
Künstliche Intelligenz (KI oder AI) und Machine Learning (ML)
soziotechnische Sicherheit (soziale Gesetze sowie Ethik und Moral, persönliche Schutzrechte)
Betriebserlaubnis für die Teilnahme am Straßenverkehr (öffentlicher Raum)
Betriebssicherheit (betrifft den Besitzer (Betreiber, Equipment as Serice (EaaS) -Modell)
Diese Elemente können in die Risikobeurteilung [2] integriert werden, um die gegenseitige Beeinflussung von Safety, Security, künstliche Intelligenz (KI) sowie Elemente der Ethik und Moral zu betrachten. Die CE-Kennzeichnung gilt nicht nur für gebrauchsfertige Produkte, sondern auch für Bauteile, Komponenten und Geräte, die in ein Endprodukt eingebaut oder mit diesem mitgeliefert werden (z.B. Ladeelektronik)! Ausnahme: der Hersteller führt für das Gesamtprodukt und die eingebauten Bauteile, Komponenten und Geräte die entsprechenden Prüfungen sowie eine Gesamt-Konformitätsbewertung durch. Das bedeutet gegenüber der Verwendung CE-konformer Komponenten einen Mehraufwand an Prüfung und Dokumentation. Grundsätzlich liegt es in der Verantwortung des Herstellers zu entschieden, welche Richtlinie(n) er für sein Produkt anwendet. Er hat aber „de facto“ keine Wahl, da er den relevanten Anforderungen aller Richtlinien genügen muss, wenn er sich – im Schadensfall – dem Vorwurf der Fahrlässigkeit entziehen will. Die rechtlich bindende Bestätigung der Richtlinienkonformität erfolgt in der Konformitätserklärung oder Einbauerklärung, welche dem Produkt beigelegt werden muss. Um jedoch die CE-Kennzeichnung an ein Produkt anbringen zu können und zu dürfen, müssen im Vorfeld die Prozessschritte aus Bild 2 durchgeführt und dokumentiert werden.
Referenzen
[1] W. Varro, D. Hoffmann. Funktionale Sicherheit bei Wartung, Instandhaltung und Modernisierung von Maschinen und Anlagen. [Online]. Verfügbar: https://docplayer.org/13636100-Funktionale-sicherheit-bei-wartung-instandhaltung-und-modernisierung-von-maschinen-und-anlagen.html. [Abruf Juli 18, 2024].
[2] W. Varro. (2022, September). Erweiterte Risikobeurteilung für Maschinen und Betriebsmittel mit künstlicher Intelligenz Erweiterte Risikobeurteilung für Maschinen und Betriebsmittel mit künstlicher Intelligenz. [Online]. Verfügbar: https://www.researchgate.net/publication/363184670_Erweiterte_Risikobeurteilung_fur_Maschinen_und_Betriebsmittel_mit_kunstlicher_Intelligenz_Erweiterte_Risikobeurteilung_fur_Maschinen_und_Betriebsmittel_mit_kunstlicher_Intelligenz. [Abruf Juli 18, 2024].