Um einzuordnen, was Service- und Assistenzrobotik ausmacht, kann man sie beispielsweise im Kontrast zur Industrierobotik betrachten. Klassische Industrieroboter sind meist fest installiert und in einen klar definierten Produktionsprozess eingebunden. Die Umgebung abseits der industriellen Produktion hingegen verändert sich stetig, ist häufig schwerer zu navigieren und damit eine größere Herausforderung für die Roboter, die sich darin bewegen [1]. Genau dies ist der Einsatzbereich für Service- und Assistenzroboter, denn diese bewegen sich in einem sich kontinuierlich wandelnden Umfeld, oft auch in Interaktion mit dem Menschen.
Anwendungsgebiete #
Einige Service- und Assistenzroboter sind bereits weit genug fortgeschritten, um im Alltag Anwendung zu finden. In diesem Abschnitt sollen Beispiele für mögliche Kategorien solcher Robotikanwendungen gesammelt werden, die aktuell (Stand März 2024) auf dem Markt zu erwerben sind.
Haushaltsroboter #

Zu Haushaltsrobotern gehören all jene, die in und um das eigene Heim zum Einsatz kommen. Bei Robotern zur Anwendung im Garten können in erster Linie Mähroboter und Poolreinigungsroboter unterscheiden werden. Diese trimmen selbstständig den Rasen oder Reinigen den heimischen Pool.
Roboter für den häuslichen Gebrauch, darunter auch für die Gartenarbeit, sind in der privaten Roboternutzung am beliebtesten. 2022 wurden laut Schätzungen der International Federation of Robotics (IFR) 1,1 Millionen solcher Roboter verkauft. Unter Gartenrobotern sind Rasenmähroboter am häufigsten im Einsatz [3].
Reinigungsroboter üben vorwiegend, wie der Name bereits verrät, reinigende Tätigkeiten aus. Erhältlich sind aus dieser Kategorie Saug-, Wisch-, Kehr- und Fensterreinigungsroboter. Teilweise finden sich mehrere Anwendungsbereiche in einem Roboter kombiniert, andere üben nur eine der genannten Tätigkeiten aus. Laut der IFR erzielten Reinigungsroboter für den häuslichen Gebrauch die größten Verkaufszahlen unter privaten Konsumenten. Im Jahr 2022 wurden knapp 4,9 Millionen solcher Roboter verkauft [3]. Die Tendenz ist steigend.
Auch für andere Aufgaben ziehen zunehmend Serviceroboter in Haushalte ein. Ein prägnantes Beispiel ist das von Amazon als Haushaltsroboter eingeführte Modell Astro. Dieser soll primär für Sicherheitsaufgaben, ähnlich einem Alarmsystem, eingesetzt werden. Bisher ist Astro in Deutschland allerdings noch nicht zu erwerben. Für wieder andere Aufgaben wie das Aufräumen, für die sicherlich robotische Erleichterung willkommen wäre, sind jedoch noch keine Produkte präsent. Diese werden (unter anderem durch die RimA-Partner an der Universität Bonn) noch erforscht und entwickelt [8].
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Reinigung im öffentlichen Raum #

Reinigungsroboter im öffentlichen Raum sind nicht für die private Nutzung im eigenen Zuhause gedacht. Sie reinigen hingegen an öffentlichen Orten und kommen auf diese Weise ebenfalls regelmäßig mit Menschen in Kontakt. Die Mehrheit solcher Reinigungsroboter, die bereits im Alltag unterwegs sind, finden in der Bodenreinigung Anwendung. Im Kontext von RimA erforscht zum Beispiel das Kompetenzzentrum ZEN-MRI die Interaktion des Menschen mit solchen Robotern. Aber auch Desinfektionsroboter weisen seit der Covid-19-Pandemie eine steigende Nachfrage auf [2]. Im Jahr 2021 wurden laut Schätzung der IFR 12.600 Einheiten verkauft [2]. Noch weniger häufig im Alltag unterwegs sind dagegen beispielsweise Reinigungsroboter, die kleine Gegenstände aufsammeln oder aufsaugen. Im Kontext von RimA erforscht zum Beispiel das Kompetenzzentrum rokit die Interaktion des Menschen mit solchen Robotern.
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Einzelhandel, Hotel- und Gastgewerbe #

Sowohl im Einzelhandel, als auch im Hotel- und Gastgewerbe können Roboter Anwendung finden – beispielsweise zur mobilen Bewerbung von Produkten über einen integrierten Bildschirm oder durch das Anbieten von Werbeartikeln auf Trageflächen. Damit können Robotikanwendungen gerade im Einzelhandel in der Theorie auch in der Kundenakquise wirksam sein. Anwendungsbeispiele sind hierfür im europäischen Raum aber noch rar.
Im Hotel- und Gastgewerbe üben Roboter unterschiedliche Tätigkeiten aus. Sie können, beispielsweise in der Gastronomie, das Essen zum Tisch der Gäste tragen und schmutziges Geschirr wieder abtransportieren. Teilweise nehmen sie sogar die Bestellungen direkt auf [7].
Roboter für den Einzelhandel sowie das Hotel- und Gastgewerbe werden zwar immer beliebter. Laut IFR Schätzung wurden im Jahr 2022 etwa 24.500 Einheiten verkauft [3]. Damit reichen sie in Verkaufszahlen aber nicht an das vergleichsweise hohes Marktpotenzial heran, das ihnen die IFR voraussagt [2]. Im Kontext von RimA erforscht zum Beispiel das Kompetenzzentrum RuhrBots die Interaktion des Menschen mit solchen Robotern.
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Pflege #

In der Pflege können Roboter in alltäglichen Situationen unterstützen und entlasten. Sie können heben, tragen und transportieren sowie pflegebedürftigen Menschen und Pflegekräften assistieren. Dazu zählt auch die emotionale und psychologische Unterstützung.
Mit dem wachsenden Mangel an Pflegekräften wächst auch der Markt für solche Serviceroboter. 2020 gab die IFR bekannt, dass der Verkaufswert schätzungsweise um 17% auf 91 Millionen USD gestiegen sei [2]. Der tatsächliche Einsatz von Robotiklösungen in der Pflege erfolgt bislang, trotz erfolgreicher Studienlage, allerdings noch äußerst selten [4].
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Soziale Interaktion und Bildung #
Nicht alle Roboter, die uns im Alltag begegnen, sind klassischen Serviceroboter. Einige dienen der sozialen Interaktion oder der Unterhaltung, können aber auch einen Bildungsaspekt erfüllen und beispielsweise zum Erlernen von Programmierkenntnissen beitragen. Laut Schätzung der IFR wurden im Jahr 2022 157.000 solcher Roboter verkauft [3].
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Multipurpose #

Roboter der Kategorie „Multipurpose“ (englisch für: Mehrzweck) sind in der Regel so entwickelt, dass sie für zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten in Frage kommen. Dazu bietet sich beispielsweise die Möglichkeit, den Aufbau und die Ausstattung des Roboters je nach Bedarf anzupassen. Bei einem solchen modularen Aufbau besteht der Roboter meist aus einer beweglichen, also mobilen Basis, die wahlweise um Greifarme (sogenannte Manipulatoren) oder Trageflächen erweitert werden kann. Multipurpose-Roboter bieten durch ihre vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten zudem ein hohes Potential, Robotiklösungen zukünftig für unterschiedliche Zielgruppen immer attraktiver zu machen [9].
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Stand der Technik und Ausblick #
Einige Service- und Assistenzroboter sind, wie bei Betrachtung in den obigen Kategorien deutlich wird, noch selten im Einsatz zu beobachten. Das ist unter anderem darauf zurück zu führen, dass die Forschung und Entwicklung nicht in allen Bereichen weit genug fortgeschritten ist. Um dies nachvollziehbarer zu machen, ist es sinnvoll den jeweiligen Entwicklungsstand systematisch einzuordnen. Eine Möglichkeit, den Entwicklungs- und Forschungsstand von Robotiktechnologie zu klassifizieren, ist der Technical Readiness Level (TRL). Dabei handelt es sich um eine Skala zur Bewertung des jeweiligen Entwicklungsstands und der Widerstandfähigkeit einer Technologie – in diesem Fall geht es also darum einzuschätzen, wie nah ein Roboter dem Einsatz im Alltag ist. Mit Hilfe eines Stufensystems soll so eine objektive Bewertung der Entwicklung möglich sein (siehe Tabelle 1) [6].
Level | Beschreibung |
TRL 1 | Grundprinzipien/-funktionen werden untersucht und festgehalten |
TRL 2 | Formulierung von Roboterkonzept und/oder Roboteranwendung |
TRL 3 | Experimenteller Nachweis des Konzepts der Kernkomponenten |
TRL 4 | Erste Validierung von Roboterkomponenten in einer vereinfachten Laborumgebung |
TRL 5 | Erweiterte Validierung von Roboterkomponenten in realistischer Umgebung |
TRL 6 | Demonstration von Roboterkomponenten in einer realistischen Umgebung (für kurze Zeit) |
TRL 7 | Roboterprototyp arbeitet in einer realen Umgebung (für längere Zeit) |
TRL 8 | Fertigstellung eines Roboters oder einer Roboteranwendung, die den gesetzlichen Vorschriften entspricht, sowie Test und Vorführung in einer realen Umgebung |
TRL 9 | Konkreter Roboter oder eine Roboteranwendung, die sich als Produkt in einer realen Umgebung bewährt hat |
Die Mehrzahl der Forschungsprojekte zu Service- und Assistenzrobotik im Alltag bewegt sich laut Rönnau et al. auf den Ebenen TRL 2-5. Sie wurden also maximal in einer realistischen Umgebung getestet – eine richtige Anwendungsdemonstration selbst für kürzere Zeit (TRL 6) steht dementsprechend aber in vielen Fällen noch aus. Eine Fertigstellung im Rahmen gesetzlicher Vorschriften (TRL 8) und die Bewährung im Alltag (TRL 9) liegen somit aber noch in der Zukunft. Hieran wird deutlich, warum viele erforschte Robotiklösungen uns noch nicht als Produkt im Alltag begegnen.
Die tatsächliche Implementierung stellt eine große Herausforderung für neue Technologien in diesem Bereich dar. Für viele Anwendungsfälle ist die Demonstration der entsprechenden Roboterkomponenten in einer realistischen Umgebung also noch nicht möglich und ein Einsatz als echtes, im Einsatz bewährtes Produkt (TRL 9), in weiter Ferne. Mit steigender TRL-Ebene werden die technologischen Hürden höher und die Weiterentwicklung wird schwieriger [5].
Referenzen
[1] A. Rönnau et al., „Towards More Robotic Assistance for Everyday Life“, in Roboter für Assistenzfunktionen. Konzeptstudien für die Interaktion in der Praxis, A. Rönnau S. Behnke, P. Becker, Eds. Karlsruhe, Deutschland: KIT Scientific Publishing, S. 4.
[2] International Federation of Robotics. (2022, Oktober 26). Service-Roboter-Absatz steigt weltweit um 37 Prozent. [Online]. Verfügbar: https://ifr.org/downloads/press2018/2022-OCT-26-WORLD_Robotics-SR_Pressemeldung_deutsch.pdf. [Abruf Februar 20, 2024].
[3] International Federation of Robotics. (2023, Oktober 12). Service-Roboter-Absatz steigt weltweit um 48 Prozent – Personalmangel treibt die Nachfrage. [Online]. Verfügbar: https://ifr.org/downloads/press2018/DE-2023-10-11-IFR-Pressemeldung_World_Robotics_Service_Robots_2023.pdf. [Abruf März 19, 2024].
[4] C. Berndt. (2023, Februar 10). Ein Roboter zum Kuscheln. [Online]. Verfügbar: https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/roboter-pflege-pflegemangel-pflegekraefte-technik-familie-alter-krankenhaus-1.5748854. [Abruf März 7, 2024].
[5] A. Rönnau et al., „Towards More Robotic Assistance for Everyday Life“, in Roboter für Assistenzfunktionen. Konzeptstudien für die Interaktion in der Praxis, A. Rönnau S. Behnke, P. Becker, Eds. Karlsruhe, Deutschland: KIT Scientific Publishing, S. 16.
[6] A. Rönnau et al., „Towards More Robotic Assistance for Everyday Life“, in Roboter für Assistenzfunktionen. Konzeptstudien für die Interaktion in der Praxis, A. Rönnau S. Behnke, P. Becker, Eds. Karlsruhe, Deutschland: KIT Scientific Publishing, S. 15.
[7] dpa. (2021, Dezember 25). Roboter serviert Menü: „Paula“ bringt Gäste zum Lächeln. [Online]. Verfügbar: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/gastgewerbe-lueneburg-roboter-serviert-menue-paula-bringt-gaeste-zum-laecheln-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-211225-99-501275. [Abruf März 14, 2024].
[8] nimbro. (2023, Dezember 30). RoboCup@Home 2023: NimbRo Highlights. [Online]. Verfügbar: https://www.youtube.com/watch?v=fMhtsJv4SAE. [Abruf März 19, 2024].
[9] A. Barnitzke. (2023, Juni 6). Dritte Generation der Robotik: Serviceroboter im Aufbruch. [Online]. Verfügbar: https://automationspraxis.industrie.de/news/dritte-generation-der-robotik-serviceroboter-im-aufbruch/. [Abruf April 11, 2024].